Die Städte und die Erinnerung
Ähnlich wie bei einem Baufeld wurde die Umgebung sowie der Kontext der Wörter innerhalb dieser Erzählung analysiert, um einen Einstieg zu finden. Bereits im Stadtnamen lassen sich Absichten erkennen: Diomira ist – wie die anderen Städte im Werk – ein weiblicher italienischer Vorname, der aus den althochdeutschen Wörtern diot (= das Volk) und mari (= berühmt, bekannt) hervorgeht. Die architektonischen Elemente, die zunächst beschrieben werden, erscheinen besonders prunkvoll, beinahe absurd luxuriös – etwa in der Form eines „kristallenen Theaters“. Diese Architektur wird als eine Sammlung „schöner Dinge“ dargestellt, ohne dass weiter auf sie eingegangen wird. Sie dient vielmehr als Kulisse für die persönliche Erfahrung, die der Reisende macht. Christoph Schulten vertritt die Auffassung, dass Architektur vor allem aus dem Bauen vor Ort und ihrer Wirkung in der Umgebung entstehen sollte. Das Entwerfen auf dem Papier würde die Auseinandersetzung mit spezifischen örtlichen Gegebenheiten ignorieren und ihr im Weg stehen. In ähnlicher Weise wurde auch diese Aufgabe bearbeitet. Nachdem in der Gruppe Einigkeit über das Textverständnis und die Deutung herrschte, wurde versucht, sich durch das Bauen der Stadt Diomira anzunähern. Zunächst galt es, die Kulisse der Erzählung nachzubilden, um ein Gespür für die Atmosphäre zu entwickeln. Ohne konkrete Planungen begann man direkt mit dem Modellieren. Als Material wurde Ton gewählt, da er flexibel und jederzeit neu bearbeitbar ist. Basierend auf der Aufzählung der in der Stadt beschriebenen Objekte wurden diese nach und nach geformt, nachdem die Modellgröße festgelegt worden war. Im Fokus stand dabei die Trennung zwischen der oberflächlichen und der subjektiven Erscheinungsform der Stadt. Klar war, dass sich diese Deutungsformen auch in Sprache und Darstellung voneinander unterscheiden müssen, sodass sie – wie in der Erzählung – in Konflikt miteinander geraten. Das Werkzeug des Blicks spielt hier eine besondere Rolle, da es die beiden Ebenen – die der gebauten und die der erinnerten Stadt – miteinander verbindet. Nachdem sowohl die Kulisse der Stadt als auch die Position des Spiegels definiert waren, stellte sich die Frage nach einem Gehäuse. Aus Fundstücken bereits verwendeten Holzes wurde eine einfache Konstruktion gebaut, die es ermöglichte, das Geschehen nur aus einem bestimmten Blickwinkel zu betrachten. Um der Starrheit von Erinnerungen entgegenzuwirken, wurde ein beweglicher Spiegel eingebaut, der die sich wandelnden Gedanken versinnbildlichen soll. Die Erinnerung sollte zudem aus größerer Distanz erfasst werden. Dafür wurde das Gehäuse samt Inhalt zeichnerisch dokumentiert.
Anthony Feghali, Young Ju Nam & Hyunjoon Ur







