Statement
“disability is a reality – but disability is also produced, sometimes most powerfully through our design of space.“ (Jay Dolmage, Mapping Composition: Inviting Disability in the Front Door, Boston Bedford (2008)).

Die Gastdozentur beschäftigt sich mit der Frage, wie die Perspektive von Menschen mit Behinderungen weit über das Thema Barrierefreiheit hinaus zu einem grundlegenden Entwurfsparameter werden kann und wie wir mit baulichen Beständen umgehen können, in denen sich überholte gesellschaftliche Strukturen und Ideale konstituieren.


Freier Entwurf – Disabling Form
Wintersemester 2024/25

In unserer gebauten Umwelt konstituieren sich gesellschaftliche Strukturen, Hierarchien und Ideale. Doch nicht alle Menschen haben gleichermaßen die Möglichkeit, an dieser Raumproduktion teilzuhaben.

Die Berücksichtigung der Perspektiven von Menschen mit körperlichen Behinderungen beschränkt sich in der heutigen Architekturpraxis meist auf rein funktionale Aspekte die in Normen und Regelwerken festgeschrieben sind.
Anpassungen im Bestand zur Verbesserung der Barrierefreiheit werden häufig nicht Teil einer architektonischen Gestaltung, sondern eine rein technische Umsetzung von Vorschriften. Der ursprüngliche Entwurf, der ausschließlich auf dem Leben, den Körpern und den Perspektiven von Menschen ohne Behinderung basiert, wird dabei nicht kritisch hinterfragt oder kommentiert.

Im freien Entwurf wollen wir uns daher mit der Frage beschäftigen, wie solche transformativen Eingriffe gestalterisch in Beziehung zur bestehenden Architektur gesetzt werden können und wie wir Perspektiven von Menschen mit körperlichen Behinderungen weit über das Thema Barrierefreiheit hinaus zu einem fundamentalen Parameter des Entwurfs machen können.

Wir wollen uns kritisch mit Architekturen auseinandersetzen, die ein gesellschaftliches Ideal von Stärke und körperlicher Kraft repräsentieren und untersuchen, wie körperliche, soziale und ökologische Beeinträchtigungen bewusst in den Entwurfsprozess integriert und als wertvoller Bestandteil der gebauten Umwelt betrachtet werden können. Wir werden versuchen Geschichte zu bewahren, ohne sie zu konservieren.

Ort der Untersuchung und des Entwurfs sind frei gewählte gebaute “Ableismen” in unserer Umgebung in Aachen. Dies können sowohl denkmalgeschützte als auch alltägliche Architekturen sein. Für unsere experimentellen Eingriffe setzen wir den Denkmalschutz außer Kraft. Sowohl in der Analyse- als auch in der Entwurfsphase beziehen wir Menschen mit Behinderungen ein.


Stegreif – DIYD /Do it yourself differently
Wintersemester 2024/25

Bausysteme und Werkzeuge sind in der Regel so konzipiert, dass sie von gesunden, fitten Erwachsenen ohne körperliche Einschränkungen verwendet werden können.

Im Stegreif wollen wir von der Kreativität von Menschen mit körperlichen Behinderungen lernen und gängige Trennwandsysteme und/oder die dafür benötigten Werkzeuge so um- bzw. neu denken, dass sie auch mit körperlichen Einschränkungen wie zum Beispiel nur mit einer Hand, nur mit den Füssen oder ohne Augenlicht auf und abgebaut werden können.
Damit knüpfen wir an Ideen zur Demokratisierung von Bauprozessen an, wie sie etwa Adolf Loos in den 1920er Jahren in Wien entwickelte. Für die Planung einer Wohnsiedlung für Kriegsinvalide in Friedenstadt entwarf er Bausysteme, die sich an Fähigkeiten der Bewohner mit körperlichen Einschränkungen orientierten – unter anderem auch flexible, leicht modifizierbare Innentrennwände.

Wir beginnen mit einem gemeinsamen Workshoptag und entwickeln in Gruppenarbeit Mockups von Bausystemen. Die Bauanleitungen werden anschließend in einem DIY-Video zusammengefasst und präsentiert werden.

Organisation und Kontakt:
Dr. -Ing. Ilaria Maria Zedda
Lehrkraft für besondere Aufgaben
Lehr- und Forschungsgebiet Raumgestaltung
RWTH Aachen University
zedda@raum.arch.rwth-aachen.de