Die Städte und die Zeichen 2

Aus der Stadt Zirma kommen die Reisenden mit sehr genauen Erinnerungen zurück: ein blinder Neger, der in die Menge
hineinschreit, ein Verrückter, der sich über den Dachsims eines
Wolkenkratzers lehnt, ein Mädchen, das mit einem Puma an
der Leine spazierengeht. Tatsächlich sind viele Blinde, die den
Stock auf Zirmas Straßenpflaster schlagen, Neger, gibt es in
jedem Wolkenkratzer einen, der verrückt wird, stehen alle Verrückten stundenlang auf den Simsen, gibt es keinen Puma, der
nicht für die Laune eines Mädchens aufgezogen worden wäre.
Die Stadt ist übervoll: Sie wiederholt sich, damit irgend etwas
im Gedächtnis haftenbleibe.

Auch ich komme aus Zirma: Meine Erinnerung umfaßt Luftschiffe, die in Fensterhöhe in alle Richtungen fliegen, Straßen
mit Läden, wo man die Haut der Matrosen tätowiert, Untergrundbahnen voller beleibter Frauen, denen die Stickigkeit zusetzt. Meine Mitreisenden aber schwören, daß sie ein einziges Luftschiff gesehen haben, das sich über die Türme der Stadt
erhob, einen einzigen Tätowierer, der Nadeln und Tinten und
perforierte Zeichnungen auf seinem Schemel ordnete, eine einzige Tonne von Frau, die sich auf der Plattform eines Wagens
Luft zufächelte. Das Gedächtnis ist übervoll: Es wiederholt die
Zeichen, damit die Stadt zu existieren beginnt. […]

Zeina Ahmed, Silva Alsuliman & Lucas Reinbold