Die Städte und die Zeichen 1

Tamara ist wahrhaftig eine unsichtbare Stadt. Ihr tatsächliches Gesicht ist verborgen unter einer Fassade von Symbolen, Schildern, Hinweisen, Wappen und Figuren. Wie präsentiert sich die städtische Substanz unter dem Vorhang der Zeichen? Wandernde vermögen dies auf ihrem Weg durch Tamara nicht zu beantworten.
Entsprechend schwer fällt die Orientierung durch das labyrinthische und gesichtslose Straßennetz. Man betritt und verlässt die Stadt durch definierte Eingänge, doch ist in ihrem Inneren auf sich alleine gestellt. Das Auge sucht nach Ankerpunkten, Wegmarkierungen sowie greifbaren städtischen Figuren und Formen, findet jedoch letzten Endes keinen Halt in dem dichten Meer aus Zeichen, das die Konturen der gesichtslosen Gebäude der Stadt und den Straßenraum überzieht. Worauf diese Zeichen hinweisen, wofür sie stehen; man vermag auch dies nicht zu beantworten. Umherschweifend bewegt man sich durch den unsichtbaren städtischen Raum, muss seinen eigenen Weg durch die beschilderten Straßen finden. […]

Kurz scheint man zu begreifen, worin die Substanz dieser Stadt besteht, kurz erfasst das Auge bekannte räumliche Figuren und Bezüge. Die Gebäudetypen scheinen Aufschluss über die städtebauliche Disposition hinter den Fassaden aus Zeichen zu geben. Man meint, die räumliche Konzeption von Tamara zu begreifen. Doch geht dieser Augenblick vorbei, seine Flüchtigkeit offenbart sich bereits nach der nächsten Ecke. Man schlägt einen Weg ein, überzeugt, der soeben erfasste Gebäudetyp gebe Hinweise auf ein übergeordnetes Ordnungsschema, und taucht erneut ein in das Bildermeer Tamaras.
So muss auch der Entwurf den städtischen Raum als nicht greifbare Masse zeigen. Keine Achsen, akzentuierte Wege oder sonstige Elemente geben eine vorherrschende Bewegungsrichtung vor. Ergänzt wird dieser einheitliche Raum durch Wegpunkte; Gebäude als einzelne Fragmente, die der wandernden Person auf ihrem Weg durch Tamara begegnen. Bedingt durch typologische Anklänge haftet auch ihnen etwas zeichenhaftes an. Sie scheinen den städtischen Raum zu ordnen, bieten jedoch über ihren fragmentarischen Charakter keinerlei Auskunft über die Gesamtstruktur der Stadt der Zeichen. […]

Alexander Fink, Lennard Flörke & Lars König